Orgeltag Westfalen 2018 am Sonntag, 24. Juni
Der 1. Orgeltag in Westfalen in der Jakobikirche
Faszination Orgel in den Mittelpunkt Orgelbau und das Orgelspiel soeben zum Kulturerbe
Am letzten Sonntag öffnete die Jakobikirche Rheine für eine interessierte Besucherschar ihre Tore: Anlass war der 1. Orgeltag in Westfalen, der im Dezember des letzten Jahres von der UNESCO „zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt“ und somit ins Leben gerufen worden, um „Orgelbau und Orgelmusik in Deutschland“ einem breiten Publikum bekannt zu machen. Die Evangelischen Kirchen Westfalens wollen die „himmlische Musik“ (Präses Annette Kurschus) eines wunderbaren Instruments vorführen, hier in der Jakobikirche als Konzert, Geschichten und Orgelführung.
Einen inneren Bezug zu Rheine hat dieser erste Orgeltag Westfalens durch das Grußwort der Organistin Iveta Apkalna bekommen, der Titularorganistin der Hamburger Elbphilharmonie. Apkalna hatte an der Klais-Orgel in St. Dionys im Jahre 2003 ein Übungsinstrument gefunden, was ihr zu internationalem Durchbruch verhalf, und Konzerte der Präsentation und Dankbarkeit folgten in den Jahren 2005 und 2013. Apkalna wünscht sich „nachhaltige Begegnungen und Erfahrungen“ mit der Orgel als Gemeinde- und als Solo-Instrument, wie es am letzten Sonntag in Jakobi im Stile eines „Hauses der offenen Tür“ verwirklicht wurde.
In der Zeit von 15 bis 17:30 Uhr wurden drei Programmteile realisiert, die die jüngsten Besucher gleichermaßen wie die erwachsenen Zuhörer ansprach. Für die Kleinen erzählte Pfarrerin Claudia Raneberg die Lebensgeschichte von Martin Luther in einer spannenden Erzählweise, von Lena Puschmann an der Orgel mit dramatischen Effekten begleitet. Abschluss einer kindgerechten Biographie des Reformators auf der Orgelbühne war das von Luther getextete und komponierte Lied „Vom Himmel hoch“, das gemeinsam gesungen wurde. „Das ist ja ein Weihnachtslied“, protestierte ein auf einem Kissen liegendes Mädchen. Claudia Raneberg hatte aber die passende Strophe zum Mitsingen ausgesucht und verwies auf den 24. Juni als Johannestag, genau ein halbes Jahr vor Heiligabend.
Nach einem gemeinsamen Kaffetrinken vor dem Altarraum ging es wieder hoch auf die Empore, wo Winfried Puschmann eine Orgelführung vorbereitet hatte. Die Orgel, von der Firma Alfred Führer 1957/58 als geschlossenes Gehäuse mit integriertem Spieltisch erbaut, umfasst auf zwei Manualen und einem Pedal 17 Register, die auf Schleifladen stehen. Der Orgelbauer Puschmann erklärte die Wirkung der Luftströme am Beispiel des Überblasens einer offenen Flasche (entwickelt aus der Panflöte) , erklärte die Töne der ersten Pfeifen, wie sie als Blockflöte (Luftzug) und Klarinette (Rohrblatt) sich entwickelten, und kam so auf die Geschichte der Orgel zu sprechen, wie sie in die Kirchen kam. Durch das Abnehmen der Gitter, Deckplatten und Sichtfelder gewährte Puschmann einen Einblick in das Innere dieser Orgel.
Der Orgelbauer Puschmann hielt einen offenen Vortrag und ließ gern Fragen aus der Hörerschaft zu. Deren Interesse ging neben den Bauweisen und Pfeifenformen besonders auf den Klang dieser Orgel. Das neobarocke Klangprinzip wurde erklärt durch Koppelung und Einsätze der Obertöne, durch den solistischen Einsatz der Register und die Kombination einzelner miteinander. Vorgeführt hat Puschmann den höchsten Ton („bis zur Hörgrenze“) und den tiefsten („Das schafft kein Kontrabass“) und herausgestellt hat er die Zungenregister Dulzian und Vox Humana („einer alten schnarrenden Frau ähnlich“), die solistisch zu verwenden und somit für die Wiedergabe von barocken Orgelwerken geeignet sind.
Davon konnte sich die Hörerschaft im Kirchenraum überzeugen, als Lena Puschmann zum Abschluss des 1. Westfälischen Orgeltages ein Orgelkonzert gab, das sie mit der berühmten „Toccata in d-Moll“ von Bach einleitete. Passend zur Klangwirkung der vorgestellten Führer-Orgel spielte Lena Puschmann vierhändig mit ihrem Mann Winfried den Choral „Jesus bleibet meine Freude“ aus einer Kantate, die Bach 1716 in Weimar komponierte.
Die Organistin gab vor jedem Stück ihres „populären Konzerts“ Hörhinweise, die für die inzwischen auf über 40 Besucher angewachsene Hörerschaft wichtig waren. Mit langem Applaus wurden die bekannten Stücke begleitet, der Brautmarsch aus Wagners „Lohengrin“ und Trumpet Voluntary „for wedding march“, den berühmten Mitsumm-Titel „Air“ von Bach und den Satz „Schwan“ aus der musikalischen Suite „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns. Den Abschluss dieses Orgelkonzerts markierte wieder ein Barockstück, der einzig überlieferte dreistimmige „Kanon in D-Dur“ von Johann Pachelbel in einer wirkungsvollen Orgel-Transkription.
Dr. Ingmar Winter