Mittwoch, 22. September: Jakobi-Treff „Kirche und Welt“ startet wieder mit dem Thema Lieferkettengesetz
Christian Wimberger referierte im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“ über Anspruch und Wirklichkeit des Lieferkettengesetzes
Ein kleines Stück zurück in die Normalität: Nach fast einjähriger Corona-Pause hat der Jakobi-Treff „Kirche und Welt“ seine Vortragsreihe wieder aufgenommen. Jeweils am vierten Mittwoch im Monat besteht anhand eines einführenden Referates die Möglichkeit, über aktuelle Fragen aus Kirche und Gesellschaft zu diskutieren. Das Thema im September war „Macht das Lieferkettengesetz die Welt wirklich zu einer besseren?“ - passend zur Woche des fairen Handels in Rheine. Als Referent konnte Karl Wilms Christian Wimberger von der Christlichen Initiative Romero (CIR), Münster, vorstellen.
Wir alle spüren die Ambivalenz unserer Welt: Zwar leben wir in einer Gesellschaft, die von Wohlstand, ja zum Teil auch von Überfluss geprägt ist, andererseits wissen wir, dass die Güter, die wir konsumieren, unter ganz anderen Bedingungen hergestellt werden. Um das zu verbessern, hat der Deutsche Bundestag im Juni 2021 ein Gesetz beschlossen: Es trägt den etwas sperrigen Titel „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Sorgfaltspflichtengesetz)“, 24 Paragraphen und die dazugehörige Drucksache umfasst insgesamt 72 Seiten. Damit sollen in Zukunft Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Wertschöpfungsketten deutscher Unternehmen verhindert werden, z. B. Kinderarbeit auf den Kakao-Plantagen in Westafrika, Frauenarbeit auf den Teeplantagen in Assam oder auch die Zerstörung des Regenwaldes in Südamerika durch Palmöl-Plantagen.
Wimberger machte deutlich, dass dieses Gesetz auf Initiative von über 125 Unterstützerorganisationen und damit durch ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus Gewerkschaften, kirchlichen Organisationen, Menschenrechtsorganisationen, entwicklungspolitischen Initiativen und Umweltorganisationen entstanden sei. Das Gesetzt fordert entlang der gesamten Lieferkette menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten, die sich in vier Bereichen niederschlagen:
Als erstes eine Risikoanalyse, als zweites wirksame Prävention, Abhilfemaßnahmen und Wiedergutmachung, zum dritten einen Beschwerdemechanismus sowie viertens eine transparente Berichterstattung und Monitoring.
Zwar habe es durch den gesellschaftlicher Diskurs Druck auf die Politik gegeben und es gebe jetzt im Gegensatz zu freiwilligen Maßnahmen der Industrie eine gewisse Verbindlichkeit, aber das Gesetz finde ab 2023 nur bei etwa 1 Prozent der deutschen Unternehmen Anwendung. Zudem gelte eine präventive Sorgfaltspflicht nur bei unmittelbaren Zulieferern, bei weiteren Stufen greifen die Regelungen des Gesetzes nur anlassbezogen. So sei weder der Palmöleinsatz in Süßwaren bei EDEKA noch die Arbeit von Näherinnen für KIK oder LIDL-Kleidung in Bangladesch oder die Zwangsarbeit im Rahmen eines Umerziehungsprogramms von 500.000 Uiguren in der chinesischen Region Xinjiang von dem Gesetz erfasst.
Große Hoffnungen setzte Wimberger auf eine europäische Lösung, die auf einer Initiative des Europaparlamentes basiert: Die derzeitigen Vorschläge gehen über das deutsches Gesetz deutlich hinaus und sind quasi die Obermenge von Forderungen in verschiedenen Länder. Die europäische Kommission werde voraussichtlich noch in diesem Jahr einen Entwurf vorlegen, es schaffe dann einheitliche Regelungen und werde von der enormen Marktmacht der EU getragen.
Die anschließende Diskussion verdeutlichte die Skepsis an dem Gesetz: Die Grundidee sei zwar nachvollziehbar, aber die Wirtschaftsinteressen hätten sich deutlich durchgesetzt, zudem gebe es mittlerweile schon rund um das Gesetz eine Beratungsindustrie und auch auf europäischer Ebene sei noch mit einem viel massiveren Lobbydruck diverser Wirtschaftsverbände zu rechnen.
Als Fazit bleibe aber festzuhalten, dass das Lieferkettengesetz ein erster wichtiger Schritt sei unter dem Motto „Noch nicht am Ziel, aber endlich am Start“. Es weise aber noch zu viele Mängel auf, der zivilgesellschaftliche Druck auf Produzenten und Händler müsse hoch bleiben und letztlich der Nachhaltigkeitsgedanken bei jedem Einkauf, sei es nun geschäftlich oder bei privatem Konsum, gestärkt werden